Chloe liegt wach. Schlafprobleme hat sie schon seit langem. Manche Nächte wälzt sie sich von der einen auf die andere Seite, ohne an etwas bestimmtes zu denken. Ihr Kopf rotiert um Nichtigkeiten, lässt ihr keine Ruhe und führt zu einem allmorgendlichen Kampf mit sich selbst, der meistens nur mit genügend Kaffee gewonnen werden kann. Doch diese Nacht ist anders, denn Chloe weiß genau, wieso sie nicht schlafen kann.
Heute war der Tag ihrer Entlassung.
Als ihr Chef zu ihr kam und diesen ernsten Gesichtsausdruck mit sich trug, wusste sie, es konnte nichts Gutes bedeuten. "Wir müssen Stellen abbauen", begann er Chloes schlechte Vorahnung zu bestätigen. "Leider können wir dich nicht mehr halten."
Es lief schon lange nicht mehr gut für das Restaurant, daher kam die Kündigung nicht unbedingt überraschend für sie. Und der Kellnerjob zerrte zudem schon lange an Chloes Nerven. Sie fühlte sich gefangen, eine Geisel ihres selbst geschaffenen Albtraums. Von Woche zu Woche setzten sich tiefere Augenringe unter ihren Lidern fest. Die Verankerung einer inneren Trostlosigkeit, die nun für alle sichtbar wurde.
Chloe stieg aus ihrem Bett, ging zur Fensterbank und schaute in den Himmel empor. Er war klar und ließ viele kleine Sterne durchblitzen. Sie begann darüber nachzudenken, was sich hinter diesen entfernten Sonnen verbergen mochte. Planeten, die wir nicht kannten, mit Wesen, die sich vielleicht genau wie sie, einer inneren Dunkelheit stellen mussten.
Und dann dachte sie darüber nach, was sie diesen Wesen raten würde. Jemandem, der sich genauso trostlos und antriebslos fühlte wie sie. Würde sie ihm raten aufzugeben? Still stehen zu bleiben, um in dem eigenen Kummer zu verharren? Oder würde sie ihm nahelegen weiterzugehen und zu versuchen, etwas Positives aus der Krise zu schöpfen?
Chloe kannte die Antwort. Sie drehte sich um, zu ihrem Laptop, der geschlossen auf ihrem Schreibtisch lag und fuhr ihn hoch. Die geöffneten Tabs zeigten Konditoreischulen, die sie seit Wochen starr aus ihrem Browser anblickten. Bisher traute sie sich nie, diesen Schritt zu wagen. In ihrer Freizeit backte sie gern und liebte es, ihre Torten mit Blumen und Schriften zu verzieren. Doch für die Anmeldung an einer solchen Schule, fehlte ihr immer der Mut. Sich mit anderen zu vergleichen und die Angst davor, zu versagen, hielten sie immer davon ab.
Chloe klickte auf das Anmeldungsformular, füllte es aus und schickte es ab.
Mit pochendem Herzen und zitternden Händen legte sie sich zurück in ihr Bett. Die Anspannung fiel mehr und mehr von ihr ab und wich einem Gefühl der Freude. Sie schloss die Augen und tauchte ein, in ein Universum, welches sie davonschweben ließ.
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